Bauarbeiterdekolleté

Wenn man etwas rundlicher ist, arm, kein Geld für Kleidung nach Maß - wenn man buchstäblich aus den Normen fällt, kann jeder Spaziergang zu einem Spießroutenlauf werden. Zumal, wenn man obendrein noch etwas Pech bei dem Kauf seiner Schuhe hatte.

Ständig gehen die Schnürbänder auf, egal wie fest sie geschnürt sind. Beim Bücken wird der Bauch zum schmerzhaften Keil, das T-Shirt rutscht aus der Hose.

Beim Laufen dann scheuert die viel zu lange Hose (Säumchen und Beinlänge sind normiert, schon bei mäßigem Übergewicht gibt es kaum noch Brauchbares) auf den Boden, saugt sich voll mit Wasser, wird schwer. Fällt tiefer, scheuert noch mehr, saugt sich noch weiter voll. Ganz gleich, wie oft man sie krempelt. Fast so, als wäre sie aus einem unendlich dehnbaren Stoff geschneidert.

Und dann der Rucksack! Mit Büchern vollgestopft presst er sich an den Rücken, bei jedem Schritt wippt er kurz nach hinten, die Jacke rutscht zeitgleich etwas hoch und wird beim Ende der Bewegung vom zurückfallenden Rucksack auf ihrer neuen Position gehalten. Schritt für Schritt. Bis sie einem völlig im Kreuz hängt.

Und nimmt man dann die Hände aus den Taschen, so verliert die Jeans ihren letzten Halt und rutscht noch tiefer, den Gürtel ignorierend. Und wenn man nicht genau aufpasst, präsentiert man den irritierten Mitmenschen beim nächsten Binden der Schnürsenkel sein schönstes Bauarbeiterdekolleté. Ich sollte mehr Sport treiben.