Blog aus Rostock
Auf diesem Bild sieht man das rote Buchcover, mit Vogelhausmotiv.

Das Buchcover des Heimat-Buches.

Verpönte Heimat?

In den vergangenen Jahren, spätestens aber mit dem Sommermärchen 2006, hat der Heimat-Begriff wieder Konjunktur. Heute ist ein neues Buch zu dem Thema erschienen, auch Rostock wird erwähnt.

Verena Schmitt-Roschmann, die u.a. journalistisch für den Cicero tätig ist, möchte in ihrem Buch "Heimat - Neuentdeckung eines verpönten Gefühls" ein Plädoyer für ein positives, kitschbefreites und subjektives Heimatgefühl halten. Das Buch ist im Gütersloher Verlagshaus erschienen, das vor allem durch Familien- und Religionsbezogene Publikationen bekannt ist.

Geschichte des Heimatbegriffes

In fünf Kapiteln beschreibt Schmitt-Roschmann (oft an Einzelbeispielen), wie sich der Heimatbegriff in Deutschland entwickelt hat und wie es um ihn aktuell bestellt ist. Erstaunlich hierbei ist, dass mit "Verlorene Heimat DDR" ein eigenes Kapitel dem untergegangenen Arbeiter- und Bauernstaat gewidmet wird, während Westdeutschland zusammen mit deutscher Kleinstaaterei, Reichsgründung und dem Dritten Reich abgehandelt wird.

Der begriffliche Streifzug, den die Autorin durch die Geschichte macht, liest sich sehr angenehm, ist spannend und interessant. Auch ist die Distanz von Schmitt-Roschmann gegenüber einem, auf die Nation bezogenen Heimatbegriff, erfrischend in einer Zeit, in der allenthalben Patriotismus, Heimat, Wirtschaft, Fußball und Nation miteinander vermengt werden. Wo ein angeblich entspannter Party-Patriotismus auf alles mit dem Finger zeigt, dass auf seinem Recht beharrt, kein Bock auf Deutschland haben zu wollen (man denke nur an die Debatte ums fähnchenfreie Public Viewing im Peter-Weiss-Haus).

Heimat als beliebige Notwendigkeit?

Auch wenn es der vermeintlich "konservative Background" von Schmitt-Roschmann nahelegen würde, sie verfällt in ihrem Buch nicht zu einer romantischen Verklärung von "Heimat". Aber genau das ist zugleich auch meine Kritik. Sie definiert Heimat als etwas psychologisch Notwendiges. "Heimat braucht jeder", taucht wiederholt in ihrem Buch als Merksatz auf. Für sie ist die Wiederentdeckung der Heimatliebe eine zwingende Notwendigkeit, um in der Unübersichtlichkeit, der Beliebigkeit und der aktuellen Krise einen sicheren Hafen zu finden.

Ihr Heimatbegriff ist dabei so individuell, wie die Welt, vor der er schützen soll. Ob man eine oder mehrere "Heimaten" hat, ob die Heimat real oder virtuell stattfindet - all das ist gut und nötig. Wichtig ist, dass man den Heimatbedarf seiner Mitmenschen anerkennt und die daraus resultierende Vielfalt, speziell auch mit Hinblick auf die multikulturelle Realität Deutschlands, als sozialen Kitt benutzt.

Eine Forderung in dieser Beliebigkeit ist sicherlich nicht verdächtig. Auch ist das ihr inne wohnende Moment an Toleranz hervorzuheben. Anderseits liefert Schmitt-Roschmann auf diese Weise auch keine Antwort auf ihre Kritik, das der Heimatbegriff sinnentleert und verpönt wurde. Man kann sich zurecht fragen, warum gerade Heimat? Warum nicht Religion? Lebenswelt? Selbstfindung? Familie? Freunde? Hobbys? Partei? Schrebergarten? Wenn all diese Dinge -und noch viele mehr- im Heimatbegriff auflösbar sind, worin liegt dann das Spezifische, wenn man von "Heimat" spricht?

Beispiel: Erinnerung an Rostock

Vielleicht liefert diese Antwort der in Rostock geborene, ehemalige Kultusminister von Sachsen-Anhalt, Jan-Hendrik Olbertz, den Schmitt-Roschmann wie folgt zitiert: "Meine Heimat ist an der Ostsee in Rostock, und ich denke noch heute mit Sehnsucht und Wehmut, an Bilder, Geräusche, Gerüche den Dialekt dort [...]".

Erst durch die Erinnerungen an die Kindheit werden die (oft käuflichen) Identitätsangeboten der Moderne, die Spannung zwischen Gemeinschaft, Liebe und Selbstverwirklichung zu einem Heimatbegriff fusioniert. Einer, mit austauschbaren, sich verändernden Komponenten, einer der in changierenden Farben schimmert aber einer, der an einer Stelle geerdet bleibt.

Bitte keinen Zwang zur Heimat!

Dies alles aber zu einer psychologischen Voraussetzung zu erklären, bleibt komisch. Eine solche Konstruktion hilft nicht, emanzipatorische Gedanken voranzutreiben. Heimat bleibt ein Stück heiler Welt - etwas das jedem gegönnt sei, das aber als Modell zur Bewältigung von gesellschaftlichen Problemen und zum Durchbrechen von Freund/Feind-Projektionen nicht geeignet ist. Selbst ein individualisierter Multi-Kulti Heimatbegriff fordert vom Einzelnen ein Bekenntnis ab und wird den "Heimatlosen" als Feindbild produzieren. Aus der Bagatelle, eine 99-Cent teure Papierfahne von einem Auto abzubrechen wird so die Anarchie, vor der es die Gesellschaft zu schützen gilt.

Bei aller Kritik: Lesenwert

Womit wir mitten drin sind, in einem Diskurs der letzten Jahre. Einem, der vermutlich noch an Fahrt gewinnen dürfte. Das Buch "Heimat - Neuentdeckung eines verpönten Gefühls" von Verena Schmitt-Roschmann ist hier durchaus lesenswert, da die wesentlichen Eckpunkte der Pro-Heimatbewegten genannt und an interessanten Beispielen aufgearbeitet werden.

Vielen Dank an dieser Stelle dem Gütersloher Verlagshaus für die Zusendung eines Rezensionsexemplar.

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