Blog aus Rostock
Auf diesem Bild sieht man ein Häufchen Demonstranten.

Schnappschuss von der rechten Demo in Anklam.

Wie braun ist Anklam wirklich?

Am 31.7. maschierten Rechte durch Anklams verlassene Straßen. Einige Bürger jedoch beobachteten das Treiben, hier ein sehr aufschlussreicher Augenzeugenbericht.

Augenzeugenbericht zur Demonstration "Freiheit statt BRD" am 31.7.2010 in Anklam.

Nach dem Verbot eines "nationalen Kinderfestes" am nördlichen Peeneufer wird die Stadt Anklam mit einer Demo der Rechtsextremen konfrontiert, das erste Mal seit 14 Jahren. Am 31. Juli 2010 um 11.30 soll die Demo am Bahnhof starten.

Am Bahnhof

10.00 Bahnhof Anklam. Es ist ruhig, die Polizei hat sich bereits postiert. Es ist auch noch kein Demonstrant in Sicht.

10.10 Kino Anklam. Es war kurzfristig verabredet, dass sich Gegner der Nazi-Demo gegen 10.15 vor dem Anklamer Kino treffen. Nach dem Hin und Her von Genehmigung und Verbot, Aufruf zur Gegendemo und Rücknahme des Aufrufes war klar, es werden nur sehr wenig Leute kommen. Die Stadt Anklam und viele der Bürger hatten dann selbst die Strategie der "kalten Schulter" ausgegeben.

10.30 Am Kino sammeln sich etwa 20 Leute, das weitere Vorgehen soll überlegt werden. Ich fahre unterdessen zum Bahnhof.

10.45 - 10.50 Der Regionalexpress aus Richtung Berlin fährt auf Bahnsteig 1 ein. Einige Duzend Demonstranten in eindeutiger Kleidung und Ausrüstung verlassen den Zug. Beim groben Zählen komme ich auf etwa 90 bis 100 Personen. Es ist zu sehen und auch zu hören, dass die Demonstranten zum Teil weite Wege hinter sich haben.

Aufschriften auf schwarzen und rot-schwarzen T-Shirts benennen Städte im Südosten MVs und dem Norden Brandenburgs und Berlin.

Sie werden über die Fußgängerschranke auf den Bahnsteig 2 geleitet und müssen an allen Wartenden Fahrgästen in einer schmalen Gasse vorbei. Es fällt kein Wort von den Wartenden. Kein Blickkontakt. Die Stimmung ist eisig. Auch die Demonstranten sind wortkarg. Als die Prozession kurz zum Stehen kommt, hört man ein paar Belanglosigkeiten.

11.09 Mit Verspätung fährt der Regio aus Richtung Stralsund auf Bahnsteig 2 ein. Die Prozedur wiederholt sich. Es steigen etwa 40 bis 60 Personen aus, die sich eindeutig den Demonstranten zuordnen lassen. Sie kommen aus Rostock, Stralsund, Wismar, Hamburg, Hannover, habe ich später erfahren.

11.20 Die rechten Demonstranten sammeln sich zu Musik rechter Liedermacher, aber auch Klaus Lage und "die Ärzte" werden gespielt.
Einige wenige Anklamer haben sich in Höhe Durchgang zum Buss-Bahnhof aufgestellt um zu beobachten. Der Bürgermeister ist auch da und spricht mit den Beamten, der Presse und mit Bürgern.

Ein Redner* begrüßt die Kameraden in der "national befreiten Zone Anklam" .Ein schallendes Gelächter aus Richtung der erwähnten Anklamer Bürger, provoziert wütende Blicke, aber es bleibt ruhig.

Demostart

11.30 der Zug formiert sich. Er besteht aus 150 bis 200 Personen. (bei der Bildauswertung kam ich auf 187 Personen) Nach Beobachtungen waren fünf bis sechs Demonstranten aus Anklam dabei. Diese Zahl wurde mir so ungefähr auch von anderen Seiten bestätigt. Es hat sich, bis auf eine Radfahrerin, nach meinen Eindruck, niemand angeschlossen,. Bei der Bildauswertung der "Zwischenkundgebung" komme ich wieder auf eine Zahl von etwa 190 Personen.

11.50 der Zug marschiert durch die Innenstadt Anklams. Es gibt keine Sympathie-Bekundungen der Bürger. Einige wenige schauen immer mal wieder schweigend, im angemessenen Abstand, auf das Geschehen. In der Friedländer Straße ist dann alles leer, keine Beobachter, Stille. Ich fahre zur Marienkirche.

12.00 Marienkirche Anklam. Es findet aus aktuellem Anlass ein ökumenisches Friedensgebet statt. Hier sind vor allem ältere Anklamer gekommen. Am Ende der Andacht sind es 50 bis 60 Personen, dann auch einige jüngere Leute.

Die Reden auf der Demo

12.45 Über den Schülerberg fahre ich zur Südstadt, Anklams sozialem Brennpunkt. An der Ecke Lübecker Straße, Rigaer Straße ist die Kundgebung schon im Gange. Es spricht Redner 1*, über die Angst der Anklamer "Bonzen" als Rechte Hochburg dazustehen, was ein Segen für die Partei wäre. Der "zu junge" Bundespräsident wird bemüht. Auch verlorene Prozesse haben ihren Nutzen, da man Informationen bekommt, er kündigt an, Anklam im Herbst mit "Kinderfesten" überziehen zu wollen, dass sich alle noch wundern werden, und so weiter.

Die rechten Demonstranten haben sich im Rondell formiert und applaudieren. Ich fahre um die Kundgebung herum und sehe etwa 20 sitzende Personen, die durchaus Bewohner der umliegenden Wohnungen sein könnten. Unter Ihnen, einige ältere Leute und auch ein paar Kinder. Sie applaudieren und johlen gelegentlich mit. Aus den Fenstern und von den Balkonen gibt es keinerlei Zuspruch und auch keine ausdauernden Zuhörer. Die Polizei hat wenig zu tun und die Presse ist auch da. Im größeren Abstand stehen vier Jugendliche mit Getränken und schweigen.

13.10 in anstrengendem Tonfall spricht Redner 2* lange über die Leibesfülle des Anklamer Bürgermeisters und, dass sie, "die Bonzen", alle so aussehen. Dann Stasi und Verfassungsschutz, ein bisschen DDR-Verklärung, etwas deutsche Jugend, mir reicht es.

Anklam ist nicht braun

13.25 Ich fahre in die Stadt zurück. Am Steintor, dem Wahrzeichen Anklams haben sich einige Bürger versammelt. Das große Plakat mit der Aufschrift "Anklam kein Ort für Neonazis!" ist mit Farbbeuteln beworfen worden. Die historische Fassade des mittelalterlichen Bauwerks wurde dabei beschädigt. Kurz entlädt sich der Zorn: "Was wollen die hier!" " [...] dieses Affentheater, lassen an einem Samstag die Straßen dicht machen, wo man eh schon nicht von A nach B kommt", " [...] man traut sich gar nicht zu sagen, dass man aus Anklam kommt.", " den Kreissitz haben die uns doch auch gekostet". Es sind sieben ältere Leute zwischen 50 und 70 Jahren. Ich bin erstaunt.

13.45 Für die Vorbereitung der Jungbürgerversammlung hole ich mein Auto und fahre zum Netto in der Demminer Landstraße. Die 1,5 Km von hier bis zum Nordufer der Peene stehe ich mich 45 lange Minuten durch die Stadt und über die Peenebrücke. Urlauber und Einheimische sind außer sich.

Jungbürgerversammlung

15.00 die zweite Jungbürgerversammlung der Hansestadt Anklam beginnt. Hier am malerischen Nordufer der Peene war das Kinderfest der rechtsextremen Partei geplant. Nun findet hier eine Versammlung statt in der junge Leute die Stadtpolitik mit Fragen löchern können und Ihre Wünsche äußern. Es gibt Musik, Bratwurst, Getränke, Gespräche und ein Streetsoccer-Match, mit sechs Mannschaften. Die Siegermannschaft spielte dann gegen die Auswahl der Stadtvertreter. Die hatten gegen die Kids natürlich keine Chance, aber witzig war es schon.

Trotz Ferien, Strandwetter und kurzfristiger Planung waren immerhin gut 70 Leute, große und kleine da. Wir saßen noch lange. Irgendwann, gegen 19.00 näherten sich einige junge Herren in rot-schwarzen Shirts und sehr kurzen Haaren. Auf der Hälfte der Peene-Fußgängerbrücke drehten sie aber wieder ab. Hier war es ein guter Tag für Anklam. U.R.

Anmerkungen

* Ich werde keine Namen nennen, ich werde die Partei nicht nennen. Jeder wird wissen, worum es geht. Durch die Nennung von Namen der Redner oder anderer rechtsextremer Akteure würde ich zu einem weiteren Bedeutungsgewinn dieser Personen betragen. Das lehne ich ab. Ich bitte um Verständnis.

Ich bin weder Mitglied der Stadtvertretung, noch Angestellter der Stadt. Ich bin auch nicht eingebunden in die Arbeit von Demokratie-Förderungsprojekten. Ich bin Anklamer Bürger, mehr nicht.

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